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Ibsens "Nora" steht in einer Reihe von Frauengestalten des Dichters, die sich gegen die "Lebenslüge" empören.

Noras Verhalten ist im Vergleich zu den übrigen Frauengestalten am einfachsten und daher am stärksten realistisch: sie verlässt Ihren Mann und gibt ihm dadurch Gelegenheit, die "Lebenslüge" zu überwinden, kraft derer er ein seiner Frau nur ein Spielzeug sah.

"Lebenslüge", diesen Begriff hat Ibsen zum Urteilsspruch über eine Klasse, die ihren Herrscahftsanspruch durch zu "Idealen" deklarierte Konventionen - "Lebenslügen" - untermauern wollte und diesen Anspruch somit auf Sand baute.

Ibsens Gesellschaftsdramen gehören einer umfangreichen Gattung des bürgerlichen Theaters an, die man zur Zeit ihres Entstehens und ihrer Herrschaft "Tendenzdramen" nannte. Es ist die Tendenz dieser Dramen, bestimmte, konkrete Verfehlungen im Verhalten der Menschen zueinander an typischen Beispielen bloßzustellen, zu ihrer Erkenntnis und damit zu ihrer Beseitigung beitagen.

Jugendsünden sollen gestanden werden, damit sie nicht das weitere Leben vergiften. Menschen sollen einander vertrauen, um ihre Ziele gemeinsam zu erreichen. Lebenslanges Verschweigen der Wahrheit rettet nicht vor den Folgen der Verirrung. Die einmal erkannte Wahrheit muss gegen eine Welt des Widerstands durchgesetzt werden. Die Abhängigkeit der Frau vom Manne ist der Ruin der Familie.

So lauten die Urteilssprüche von Ibsens Tendenzdramen, heute "Zeitstück" genannt. Der Name hat gewechselt, die Sache blieb. Jedes gute Drama ist ein Zeitstück, denn jeder echte Künstler prüft seine Zeit, und jeder will mit seinem Werk die Welt verändern. Angewandt auf "Nora" würde der Ehezwist heute einfach vor den Scheidungsrichter führen..